LebensmittelPraxis Tiefkühlstar 2015 08-2015

LebensmittelPraxis Tiefkühlstar2015  SELL
Ausgabe 8 vom 24. April 2015

„Kunden muss es Spaß machen, die TK-Sortimente anzuschauen“

Der gemeinsame Wettbewerb TIEFKÜHL STAR von Deutsches Tiefkühlinstitut und Lebensmittel Praxis will die besten TK-Abteilungen des Handels auszeichnen. Die Fachjury aus Handel und Industrie diskutierte in Kassel über Probleme und Potenziale bei TK.
Rund 5 Mrd. Euro setzt der Lebensmittel-Einzelhandel (LEH) pro Jahr mit tiefgekühlten Produkten um (Nielsen; inkl. Drogeriemärkte). Für den Handel ist die Kühlung, egal ob Plus- oder Minuskühlung, vor allem aber auch ein Kostenfaktor.

Da sind, nicht nur dem Händler, neue Ideen und Konzepte willkommen, die der TK-Abteilung Umsatz- und Absatzimpulse bringen, sie in der Wahrnehmung der Kunden stärker hervorheben und zur Profilierung beitragen. Genau diese Themen wurden beim ersten Treffen der Jury für den neuen Branchenpreis TIEFKÜHL STAR 2015 von Deutsches Tiefkühlinstitut (dti) und Lebensmittel Praxis engagiert und kontrovers diskutiert. Der Preis soll profilierte und verbrauchergerechte TK-Abteilungen im deutschen LEH würdigen. Und diese Abteilungen mit Vorzeigecharakter sollen Mitbewerber zur Nachahmung anregen und so mittel- bis langfristig die Qualität der TK-Warenpräsentation im deutschen Lebensmittelhandel fördern.
Beim Roundtable-Gespräch kristallisierten sich mehrere Ansätze heraus, mit deren Hilfe nach Ansicht der Jury-Mitglieder die TK-Abteilung weiter an Profil gewinnen könnte:
Emotionalisierung: den Erlebnis- bzw. Wohlfühlfaktor für den Kunden erhöhen, um eine längere Verweildauer zu erreichen. Helfen könnten etwa eine veränderte Lichtführung, in der Optik verbesserte TK-Truhen, aber auch Verkostungen oder Kochen in der Abteilung.
Orientierung für den Kunden: Und das gilt nicht nur bei der Erkennbarkeit der Abteilung innerhalb eines Outlets. Es gilt vielmehr, es dem Kunden zum einen leicht zu machen, die richtige Truhe anzusteuern, in der sich die gesuchte Produktkategorie befindet (etwa Kartoffelprodukte), zum anderen ihn dann in der Truhe nach einer für ihn nachvollziehbaren Suchlogik das gewünschte Produkt finden zu lassen. Sichtbarkeit der Sortimente auf der einen Seite und Struktur in der Truhe auf der anderen Seite seien essenziell. Neue Produkte müssen in den Truhen auffallen.
Wissensvermittlung:

TK-Gemüse enthält mehr Vitamine etc. als frisches Gemüse oder das aus der Konserve – grundsätzlich ist das vielen Konsumenten bekannt. Am PoS sollten, so die Runde in Kassel, die Vorzüge der TK-Produkte stärker ins Bewusstsein der Käufer gerückt werden, etwa über QR-Codes, Flyer.
Veränderte Einkaufsgewohnheiten: Kunden gehen seltener einkaufen, stehen dabei meist (gerade junge, berufstätige Menschen) unter Zeitdruck: Für sie bietet die Tiefkühlkost schnelle und geling-sichere Lösungen.

Image: TK-Komponenten beim Kochen einzusetzen, ist kein Zeichen mangelnder Kochkunst. Kunden könnten am PoS durch Kochvorführungen erleben, wie etwa TK-Gemüse den Speiseplan bereichern kann. Der Erfolg von TK-Fisch zeige, so die Jury, dass Konsumenten tiefgekühlte Produkte mit Qualität assoziieren.
Wie lässt sich die TK-Abteilung emotionalisieren? Darüber wurde in Kassel ausführlich diskutiert. „Eine professionelle Ausleuchtung und attraktive Kühlmöbel“, nannte etwa Tilo Lehmann (Karstadt Perfetto Wiesbaden) als Beispiele. „Für uns im Handel ist Licht wesentlich, um Sortimente in Szene zu setzen“, sagte auch Edeka-Kaufmann Axel Schroff. Für Tilo Lehmann sind der Emotionalisierung der Abteilung jedoch auch Grenzen gesetzt: „Eine durchdachte Sortimentsstrategie führt die Kunden eher in die Abteilung.“ Spezialitäten, Seafood, Fisch und Convenience-Produkte ließen Kunden gezielter zu tiefgekühlten Produkten greifen.

TK-Möbel der neueren Generation arbeiten mit dem Thema Licht, um die Abteilung von ihrem kühlen Image zu befreien, sagte Albert Weiß (Pan-Dur). „Grundsätzlich lassen sich auch ältere Truhen nachrüsten“, betonte er. Weiß nannte eine Amortisationszeit von drei bis vier Jahren. Bei der Entwicklung neuer Lösungen im Kühlmöbelbereich ist für sein Unternehmen Glas ein wichtiger Rohstoff geworden: „Dieser Werkstoff ergibt ganz neue Möglichkeiten bei der Arbeit mit Farben. Die Truhen gewinnen eine neue Leichtigkeit.“
Im Spagat zwischen Optik und Wohlfühlatmosphäre auf der einen und Energieeffizienz auf der anderen Seite setzt Matthias Gräwe (AHT Cooling Systems) auf die Möglichkeiten, die sich durch die neue Generation von LED-Leuchten auch bei TK-Möbeln ergeben, schließlich haben TK-Truhen im Handel eine Lebenszeit von 10 bis 20 Jahren. „Produkte und die Abteilung insgesamt lassen sich heute ganz anders in Szene setzen.“
Mehr Aha-Erlebnisse in der Abteilung wünscht sich Jörg Rüdiger (TK-Team Verlag): „Wir müssen den PoS beleben. Mit Marktständen und Verkostungen lassen sich die Kunden ganz anders ansprechen. Außerdem erhöht sich die Verweildauer.“
Thomas Göbel (Nestlé Wagner) sieht Industrie und Handel in einem leicht rückläufigen TK-Markt gemeinsam gefordert. Für ihn ist klar: „Der Handel zeigt uns etwa in seinen Frische- oder Wein-Abteilungen, wie emotional das Warenangebot inszeniert werden kann. Diese Top-Präsentationen können auch für die TK-Abteilung als Vorbild dienen.“ Mit gemeinsam von Handel und Herstellern entwickelten Präsentations- und Platzierungskonzepten ließen sich noch deutliche Umsatzpotenziale heben. Michael Litzke (Dr. Oetker) rief zu mehr Denken abseits der ausgetretenen Pfade auf: „Wir sollten weitere Leuchttürme schaffen. Im Rahmen eines Kreativwettbewerbs mit Universitäten könnten wir junge Studenten dazu aufrufen, ihre Ideen für die TK-Abteilung der Zukunft zu Papier zu bringen.“ Eine weitere Idee des Bielefelders: Durch zertifizierte TK-Manager mehr Know-how in die Abteilung bringen.
Mitarbeiter waren auch für Thomas Richter (Bungert) das Stichwort, denn eine kundenfreundliche und abverkaufsstarke TK-Abteilung hebe sich durch viele Faktoren vom Wettbewerb ab: „Die Abteilung lebt auch durch einen TK-Verantwortlichen, der die Abteilung betreut. Er kennt seine Kunden und kann im Sortiment Impulse setzen.“ „Letztlich schaffen Sie Emotionalisierung nur durch Menschen“, sagte auch Thomas Beyer (Edeka Minden-Hannover) mit Blick auf die Bedientheken im Handel. Das sei auf TK nur schwer übertragbar. Essenziell für ihn: „Sie müssen durch die richtigen Sortimente und die richtige Sortimentsführung die Impulse setzen. Wir brauchen vernünftige, intelligente Leitsysteme für Kunden.“ Damit lief er in der Runde offene Türen ein. Eine intelligente Platzierungsmatrix mit starkem Anreiz für Impulskäufe forderte Tilo Lehmann. Markus Mischko (Iglo) sah dies ähnlich, bemängelte aber: „Viele trauen sich nicht, an eine neue Suchlogik ranzugehen . Wir müssen die Sortimente in den Truhen sichtbar machen.“
Warenpräsenz durch ein vielfältiges Sortiment hat auch für Pia Fontaine (Globus) Priorität bei der Beurteilung einer TK-Abteilung. Sie warnt jedoch vor zu viel Produkten: „Wir dürfen den Kunden nicht überfordern. Es muss ihm Spaß machen, sich die Sortimente anzuschauen. Zu viel Vielfalt überfordert irgendwann.“ Sie hält Zweitplatzierungen im Markt für ein gutes Mittel, um dem Kunden beim Einkauf im Markt immer wieder die tiefgekühlte Ware in den Blick zu rücken. Keine Gnade fand bei den Händlern die Idee, Neuheiten wegen der verbesserten Sichtbarkeit in Neuheiten-Truhen unterzubringen: „Das sieht nach kurzer Zeit wie Sodom und Gomorrha aus, weil alles durcheinandergewühlt ist“, befand Edekaner Axel Schroff. Pia Fontaine befürchtet neben dem Chaos in der Truhe, dass der Kunde beim geplanten Wiederkauf das Produkt später nicht findet. Daher sei es wichtig, im Vorfeld genau zu definieren, was eine Neuheit ist und wie lange der Artikel als neu gekennzeichnet sein soll. Sollte doch eine Neuheitentruhe zum Konzept gehören, sollte dort ein Hinweis angebracht werden, wo der Kunde nach dem definierten Zeitraum den Artikel im regulären Sortiment findet. Diese Schilder dienen dem Dialog mit dem Kunden und schaffen gleichzeitig Kundennähe. Mathias Poller (Iglo) brachte einen eher ganzheitlichen Ansatz in der Kundenansprache und entsprechende Sichtbarmachung des Sortiments ins Gespräch: „Wir sollten nicht ausschließlich über einzelne Komponenten sprechen, sondern verstärkt über Gerichte reden.“ „Man könnte auch darüber nachdenken, den Kunden zu ermöglichen, in der Truhe gekaufte Produkte wie Fischstäbchen, Spinat oder Pizza, wenn vorhanden, im angrenzenden Bistro zu genießen.“ Mittels Handzettelwerbung, Rezepten am PoS oder Apps könne der Kunde zudem Ideen für die Verwendung von TK-Produkten bekommen und sich über neue Produkte informieren. Das rief Axel Schroff auf den Plan: „Das setzt voraus, dass der Kunde in diesem Augenblick die Info haben will. Wie kriegt man aber den Kunden dazu, dass er das Produkt sucht?“

Real hat mit Menüplatzierungen in einem Drittel seiner Häuser schon Erfahrung gemacht, wie Susanne Möpert berichtete: „In sogenannten Menütruhen haben wir ganze TK-Menüs zum Selbstzusammenstellen angeboten. Doch den Kunden war dies zu kompliziert. Sie wollten letztlich eine einfache Lösung.“ Derzeit werden bei Real daher z. B. TK-Fischstäbchen, -Spinat und Eiscreme nebeneinander präsentiert, um den Kunden zu inspirieren.
Der Kunde ist informierter und offen für Neues: Das zumindest ist die Erfahrung von Jaqueline Witzler (Konsum Leipzig). „Vor allem jüngere Kunden fragen nach Produkten mit dem ASC- oder MSC-Logo, wollen auch gern regionale Produkte.“ Zudem wolle der Kunde das Produkt sehen in der Verpackung, lege zugleich Wert auf nachhaltige Verpackungslösungen. „Und es fehlen Produkte im Angebotsmix“, sagte Witzler, „wir haben schon oft junge Mütter bei uns im Laden gehabt, die durchaus auch TK-Babykost suchten.“
In der Wissensvermittlung über die Vorzüge in Sachen Frische oder Vitamingehalt sieht sich das dti in der Pflicht: „Da sind wir natürlich dran“, sagte Sabine Eichner, „aber gemeinsam können wir sicher noch mehr tun.“ Sie verwies auf den Tag der Tiefkühlkost, der jährlich Anfang März begangen wird: „In diesem Jahr gab es 16 Mio. Contacte via TV, Radio und anderen Medien, bei denen über TK-Produkte, ihre Herstellung, Verwendung und gesundheitlichen Aspekte informiert wurde.“ Susanne Möpert (Real) gibt am PoS den modernen Medien den Vorzug bei der Wissensvermittlung: „Wir müssen am PoS neue Medien nutzen wie QR-Codes. Wir können ja nicht an jedes Regal ein Plakat hängen.“ Brachliegendes Potenzial machte schließlich Markus Mischko an ganz anderer Stelle aus: Eine Verbraucherstudie hatte gezeigt, dass deutsche Konsumenten im internationalen Vergleich nur selten die Mikrowelle für die Zubereitung von TK-Gerichten nutzten: „Da müssen wir ran.“ Mit der Linie „Dampf-Frisch“ für die Mikrowelle habe Iglo bereits einen Schritt in diese Richtung gemacht.
Das Fazit in Kassel:
Es gibt eine ganze Reihe von guten Ansatzpunkte, um für Impulse in der TK-Abteilung zu sorgen.
Jury-Mitglieder TIEFKÜHL STAR 2015
Beim Gespräch in Kassel waren dabei Thomas Beyer (Prokurist Edeka Minden-Hannover), Tilo Lehmann (Filialleiter Karstadt Perfetto Wiesbaden), Thomas Richter (Bungert in Wittlich), Axel Schroff (Edeka-Center Schroff in Kleve), Jaqueline Witzler (Einkauf Konsumgenossenschaft Leipzig), Susanne Möpert (Category Manager Real), Pia Fontaine (Sortimentsmanagerin Globus), Michael Litzke (Leiter Zentralverkauf Tiefkühlkost Dr. Oetker), Thomas Göbel (Geschäftsführer Nestlé Wagner), Markus Mischko (Sales Director Iglo), Mathias Poller (National Account Manager Iglo), Albert Weiß (Geschäftsführer Pan-Dur), Matthias Gräwe (Vertrieb AHT Cooling Systems), Jörg Rüdiger (TK-Team Verlag), Sabine Eichner (Geschäftsführerin dti) sowie Reiner Mihr (Chefredakteur Lebensmittel Praxis) und Susanne Klopsch (Redaktion Lebensmittel Praxis). Zur Jury gehört zudem Jörg Pretzel (Geschäftsführer GS1 Germany), der in Kassel nicht dabeisein konnte.

21.04.2015,
Susanne Klopsch